Kultur

NSU-2.0-Komplex: Zuständigkeit des Generalbundesanwalts und des BKA

Verfassungsfeindliche Sabotage


Verfassungsgemäße Ordnung - Symbolbild (Quelle: Pixabay)
Autorität Justiz - Symbolbild
(Quelle: Pixabay)
GDN - Der Verfasser greift die Forderung des Bundesvorstandes der Linkspartei auf und legt dar, warum für die Aufklärung der Bedrohungen von Parlamentarierinnen, einer Anwältin, sowie dem Innenminister und dem Ministerpräsidenten der Generalbundesanwalt zuständig ist; § 88 StGB i. V. m. § 120 Abs. 2 GVG.
Zunächst verlinkt der Verfasser eine Quelle zu dieser Forderung des Bundesvorstandes der Linkspartei - wie folgt:

https://www.tagesschau.de/investigativ/kontraste/politiker-drohungen-101.html

Sodann wird von Verfasser auch ein Wikipedia-Artikel über das terroristische Treiben der Nazi-Terror-Organisation NSU 2.0 verlinkt, durch welche die Fraktionsvorsitzende der Linkspartei im Hessischen Landtag bedroht wurde. Jedoch auch eine Abgeordnete eben dieser Linkspartei im Berliner Abgeordnetenhaus und eine Partei- und Amtskollegin derselben im Bundestag. Nicht zuletzt auch eine Anwältin aus Frankfurt; also ein unabhängiges Organ der Rechtspflege:
Als welches diese im Terrorismusverfahren gegen die NSU-Nazi-Terror-Bande “NSU“ vor dem OLG München die Familien von Mordopfern derselben vertreten hat. Nicht zuletzt auch wurden die Verfassungsorgane Landesinnenminister und Ministerpräsident von Hessen ebenfalls mit Morddrohungen überzogen. Hierfür erforderliche Daten scheinen von hessischen Polizisten aus dem Polizeicomputer abgegriffen worden zu sein. Wie es offenbar auch zu Manipulationen des Informationsflusses zwischen Polizei, Polizeipräsidium und Innenminister durch gezielte und systematische Unterdrückungsmaßnahmen gekommen sein dürfte. Hierzu nun der schon vorgehend angekündigte Quellennachweis - wie folgt:

https://de.wikipedia.org/wiki/NSU_2.0
Diese Tathandlungen dürften zumindest als Tatkomplex den Straftatbestand der“Verfassungsfeindlichen Sabotage“ erfüllen, welcher im Ersten Abschnitt des Besonderen Teils des Strafgesetzbuches im dortigen Dritten Titel kodifiziert ist. Dessen Titel lautet: “Gefährdung des demokratischen Rechtsstaates".

Hört sich doch dem ersten Anschein nach - schon einmal ganz gut passend an. Oder? Wenn in die Tätigkeit von Parlamenten und Anwälten durch Morddrohungen eingegriffen wird, dann gefährdet das wohl den demokratischen Rechtsstaat. Zumindest ist eine solche Gedankenführúng logisch stringent - und mutet schlüssig an. Die sieht das jedenfalls der Verfasser - rein subjektiv.
Nun - gut: Zu diesem Straftatbestand im Einzelnen, wobei dieser natürlich zum Kernbereich des Staatsschutzstrafrechts gehört:

Der Verfasser zitiert diesen wie folgt:

Ҥ 88 Verfassungsfeindliche Sabotage

(1) Wer als Rädelsführer oder Hintermann einer Gruppe oder, ohne mit einer Gruppe oder für eine solche zu handeln, als einzelner absichtlich bewirkt, dass im räumlichen Geltungsbereich dieses Gesetzes durch Störhandlungen

1.Unternehmen oder Anlagen, die der öffentlichen Versorgung mit Postdienstleistungen oder dem öffentlichen Verkehr dienen,

2.Telekommunikationsanlagen, die öffentlichen Zwecken dienen,
3.Unternehmen oder Anlagen, die der öffentlichen Versorgung mit Wasser, Licht, Wärme oder Kraft dienen oder sonst für die Versorgung der Bevölkerung lebenswichtig sind, oder

4.Dienststellen, Anlagen, Einrichtungen oder Gegenstände, die ganz oder überwiegend der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung dienen,

ganz oder zum Teil außer Tätigkeit gesetzt oder den bestimmungsmäßigen Zwecken entzogen werden, und sich dadurch absichtlich für Bestrebungen gegen den Bestand oder die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland oder gegen Verfassungsgrundsätze einsetzt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.
(2) Der Versuch ist strafbar.“

Der Verfasser begreift insoweit per Email übermittelte Morddrohungen als “Störhandllungen“ und Parlamente, Anwältinnen, polizeiliche Kommunikationssflüsse, Verfassungsorgane wie Landesinnenminister und Ministerpräsidenten als “Einrichtungen“, die zumindest “vorwiegend“ der “öffentlichen Sicherheit und Ordnung dienen“. Hinsichtlich polizeilicher Infrastrukturen ist das unbestreitbar der Fall. Ansonsten wohl im Rahmen dogmatisch und methodologisch sauberen juristischen Arbeitens weitgehend vertretbar darstellbar.
Diesbezüglich zitiert der Verfasser nun ein paar Fundstellen aus einem Kommentar zum Strafgesetzbuch zu diesem Staatsschutzparagrafen:

“§ 88 schützt den Bestand und die Sicherheit der Bundesrepublik sowie deren verfassungsgemäße Ordnung (§ 92 Abs. 2). Die in Abs. 1 aufgezählten Sabotagehandlungen müssen erfolgreich ausgeführt oder zumindest versucht worden sein (Abs. 2), die Staatsgefährdung muss aber gleichwohl nur angestrebt werden, sodass es sich bei der Norm um ein abstraktes Gefährdungsdelikt handelt.

Fundstelle: BeckOK StGB/Ellbogen, 46. Ed. 1.5.2020, StGB § 88

Hinweis: Maßgeblich ist, dass die verfassungsgemäße Ordnung und deren Funktionstüchtigkeit Schutzobjekt dieses Tatbestandes sind. Das passt hier geradezu perfekt.
Weiter mit der Rezitation:

“Eine Dienststelle, die der öffentlichen Sicherheit iSd Abs. 1 Nr. 4 dient, ist zB das Bundesamt für Verfassungsschutz (BGHSt 27, 307 (309) = NJW 1978, 431). Aus der Benennung von Dienststellen als geschützte Tatobjekte folgt, dass auch die bloße Verhinderung menschlicher Tätigkeit tatbestandsmäßig ist (Schönke/Schröder/Sternberg-Lieben Rn. 7). Auch sog. denial of service attacks (s. zu diesen → § 303b Rn. 11) können daher den Tatbestand erfüllen (MüKoStGB/Steinmetz Rn. 12).“

Fundstelle: BeckOK StGB/Ellbogen, 46. Ed. 1.5.2020, StGB § 88
Hinweis: Maßgeblich ist hier vor allem, dass ein störendes Einwirken durch menschliches Handeln auf ein menschliches Handeln tatbestandsmäßig ist. Also etwa die Beeinflussung parlamentarischer, anwaltlicher oder regierungsmäßiger Berufstätigkeit durch Bedrohung oder eine Beeinflussung politischer Leitungstätigkeiten bzw. Entscheidungsfindungen durch manipulative Eingriffe in Kommunikationsverläufe.

Abermals weiter in der Rezitation:

Zu Tathandlung und Taterfolg ist folgendes zu recherchieren:
“Durch die vom Täter bewirkte “Störhandlung“ muss als Taterfolg die geschützte Einrichtung ganz oder teilweise außer Tätigkeit gesetzt oder ihren bestimmungsmäßigen Zwecken entzogen worden sein. Keine Handlungen iSd Vorschrift sind solche, die im Wesentlichen allein darauf abzielen, das Ansehen einer Dienststelle oder der in ihr arbeitenden Personen durch Kritik zu schmälern; das gleiche gilt auch für die Offenlegung interner Vorgänge, zumindest dann, wenn dadurch nicht die Arbeitsmöglichkeit und die Funktionsfähigkeit der Dienststelle ganz oder teilweise gelähmt wird (BGH NJW 1978, 431 (432)).
Der weite Begriff des Bewirkens erfasst neben dem eigenhändigen Herbeiführen der Sabotagehandlung auch das Unterlassen eines Garanten und das Anstiften Dritter zu den aufgeführten Handlungen.“

Fundstelle: BeckOK StGB/Ellbogen, 46. Ed. 1.5.2020, StGB § 88

Hinweis: Erfasst ist demnach eine teilweise Lähmung der Arbeitsmöglichkeiten und/oder der Funktionstüchtigkeit von Strukturen des Sicherheitsapparates und eventuell begründbar auch der Justiz oder auch der Parlamente und Regierungsorgane. Im Hinblick auf die Funktionstüchtigkeit des Polizeiapparates dürfte eine sauber geführte Argumentation kaum bestreitbar sein.
Besondere Beachtung verdient, dass es just zu diesem Fragenkomplex eine BGH-Entscheidung gibt: Oben zitiert!

Sowie der objektive Tatbestand. Nun die Rezitation zum subjektiven Tatbestand dieser Staatsschutznorm:

“Der Täter muss sowohl absichtlich hinsichtlich der Herbeiführung des Taterfolges als auch der staats- bzw. verfassungsfeindlichen Zielsetzung handeln. Wissentlichkeit genügt nicht (LK-StGB/Laufhütte/Kuschel StGB § 88 Rn. 9). IÜ reicht Eventualvorsatz aus (NK-StGB/Paeffgen StGB § 88 Rn. 9).

In Abs. 2 ist die Strafbarkeit des Versuchs ausdrücklich angeordnet. Mit den §§ 316b, 317 kann § 88 in Tateinheit stehen, ebenso mit §§ 109e, 303b, 305a, 318 (MüKoStGB/Steinmetz Rn. 19).“
Fundstelle: BeckOK StGB/Ellbogen, 46. Ed. 1.5.2020, StGB § 88 Rn. 9

Anmerkung: Da gezielt und systematische mit der Zwecksetung gestört wird, die Funktionsfähigkeit zu beeinträchtigen, ist auch das alles gegeben - bei der causa “NSU 2.0“.

Der Verfasser will nun auf die Frage der Ermittlungs- und Anklagetätigkeit des Generalbundesanwalts eingehen. In jedem Fall ist bei diesem Spezialdelikt die Staatsschutzkammer des spezifischen örtlichen Landgericht zuständig. Nämlich gemäß der nachfolgend zitierten Norm des Gerichtsverfassungsgesetzes (GVG):

“§ 74a Zuständigkeit der Staatsschutzkammer
(1) Bei den Landgerichten, in deren Bezirk ein Oberlandesgericht seinen Sitz hat, ist eine Strafkammer für den Bezirk dieses Oberlandesgerichts als erkennendes Gericht des ersten Rechtszuges zuständig für Straftaten

1.des Friedensverrats in den Fällen des § 80 a des Strafgesetzbuches,

2.der Gefährdung des demokratischen Rechtsstaates in den Fällen der §§ 84 bis 86, 87 bis 90, 90a Abs. 3 und des § 90b des Strafgesetzbuches,

3.der Gefährdung der Landesverteidigung in den Fällen der §§ 109d bis 109g des Strafgesetzbuches,

(...).
(2) Die Zuständigkeit des Landgerichts entfällt, wenn der Generalbundesanwalt wegen der besonderen Bedeutung des Falles vor der Eröffnung des Hauptverfahrens die Verfolgung übernimmt, es sei denn, dass durch Abgabe nach § 142a Abs. 4 oder durch Verweisung nach § 120 Absatz 2 Satz 3 die Zuständigkeit des Landgerichts begründet wird.“

Fundstelle: BeckOK GVG/Huber, 7. Ed. 1.5.2020, GVG § 74a

Hinweis: In der zweiten Nummer des ersten Absatzes werden die Paragrafen 87 bis 90 StGB genannt - wozu der Paragraf 88 StGB gehört. Bei einer besonderen Bedeutung des Falles kann und muss der Generalbundesanwalt nach dem vorzitierten zweiten Absatz dieser Vorschrift die Ermittlungen führen und Anklage zum Oberlandesgericht erheben.
zum Staatsschutzsenat am örtlich zuständigen Oberlandesgericht als Eingangsinstanz erheben. Wie beim ja allüberall bekannten NSU-Terrorverfahren vor dem OLG München ja bekannt.

Bewertungsmaßstab ist insoweit der Paragraf 120 des Gerichtsverfassungsgesetzes, den der Verfasser - auszugsweise - wie folgt zitiert:

“§ 120 Zuständigkeit in Strafsachen in 1. Instanz

(1) In Strafsachen sind die Oberlandesgerichte, in deren Bezirk die Landesregierungen ihren Sitz haben, für das Gebiet des Landes zuständig für die Verhandlung und Entscheidung im ersten Rechtszug (...)

2.bei Hochverrat (§§ 81 bis 83 des Strafgesetzbuches),

3.bei Landesverrat und Gefährdung der äußeren Sicherheit (§§ 94 bis 100a des Strafgesetzbuches) (...)
(2) Diese Oberlandesgerichte sind ferner für die Verhandlung und Entscheidung im ersten Rechtszug zuständig

1. bei den in § 74a Abs. 1 bezeichneten Straftaten, wenn der Generalbundesanwalt wegen der besonderen Bedeutung des Falles nach § 74a Abs. 2 die Verfolgung übernimmt,

2. Eine besondere Bedeutung des Falles ist auch anzunehmen, wenn in den Fällen des Satzes 1 eine Ermittlungszuständigkeit des Generalbundesanwalts wegen des länderübergreifenden Charakters der Tat geboten erscheint.“

Hierzu zitiert der Verfasser folgende Kommentierungen:
“Die Zuständigkeit des OLG in ersten Instanz ist weiter begründet, wenn der GBA wegen der in § 120 Abs. 2 genannten Straftaten die Verfolgung wegen der besonderen Bedeutung des Falles übernommen hat (s. hierzu Schnarr MDR 1988, 89, 1993, 589; NStZ 1990, 260). Der Übernahme einer Sache durch das OLG nach Vorlage durch ein LG steht es nicht entgegen, dass der GBA die Verfolgung ursprünglich nicht übernehmen konnte, weil dessen Zuständigkeit erst nach dem Eröffnungsbeschluss begründet worden ist (OLG Stuttgart OLGSt GVG § 120 Nr. 1). (...)
Einer Sache kommt besondere Bedeutung zu, wenn unter Beachtung des Ausmaßes der Verletzung individueller Rechtsgüter des durch die Tat konkret Geschädigten objektiv gesehen ein staatsgefährdendes Delikt von erheblichem Gewicht vorliegt, unabhängig davon, ob sich eine staatsschutzfeindliche Zielvorstellung des Täters bereits feststellen lässt. Weiter ist erforderlich, dass die Tat so in die Schutzgüter des Gesamtstaates eingreift, dass ein Einschreiten des GBA und eine Aburteilung durch die Bundesgerichtsbarkeit geboten ist (BGH NStZ 1988, 188; 2008, 146; 2009, 335). (...)
Einer Sache kommt besondere Bedeutung zu, wenn unter Beachtung des Ausmaßes der Verletzung individueller Rechtsgüter des durch die Tat konkret Geschädigten objektiv gesehen ein staatsgefährdendes Delikt von erheblichem Gewicht vorliegt, unabhängig davon, ob sich eine staatsschutzfeindliche Zielvorstellung des Täters bereits feststellen lässt. Weiter ist erforderlich, dass die Tat so in die Schutzgüter des Gesamtstaates eingreift, dass ein Einschreiten des GBA und eine Aburteilung durch die Bundesgerichtsbarkeit geboten ist (BGH NStZ 1988, 188; 2008, 146; 2009, 335). (...)
Eine Übernahme durch den GBA kommt weiter in Betracht, wenn die Übernahme wegen des länderübergreifenden Charakters einer Tat geboten erscheint (§ 120 Abs. 3 S. 2), da in diesen Fällen regelmäßig eine zentral konzentrierte Ermittlungsführung beim BKA notwendig ist, um eine schnelle Tataufklärung zu erreichen. (...)“

Fundstelle: BeckOK GVG/Huber, 7. Ed. 1.5.2020, GVG § 120

Hinweis: Demnach kann es an einer Zuständigkeit des Generalbundesanwalts rein gar keinen Zweifel geben. Diese wird offenkundig gleich doppelt begründet. Nämlich durch das erhebliche Gewicht der konkreten Tatbegehung und dem Umstand deren länderübergreifenden Charakters.

Ergo: Demgemäß ist die eingangs erwähnte Forderung der Linkspartei mehr als nur berechtigt!
Für den Artikel ist der Verfasser verantwortlich, dem auch das Urheberrecht obliegt. Redaktionelle Inhalte von GDN können auf anderen Webseiten zitiert werden, wenn das Zitat maximal 5% des Gesamt-Textes ausmacht, als solches gekennzeichnet ist und die Quelle benannt (verlinkt) wird.