Kultur

Susanne von Bülow: u.a. Europa (bis 19. Juni 2016)

In der Stadthausgalerie in Münster


Kuchenperformance, S.v. Bülow, R. Koselleck (Quelle: Foto: Helene Koselleck)
GDN - In der Stadthausgalerie in Münster wird gerade eine Ausstellung von Susanne von Bülow gezeigt, die auf das Sykes-Picot-Abkommen als “politische Hintergrundfolie“ anspielt, das sich in diesen Tagen (16. Mai 2016) zum 100sten Mal gejährt hat: "u.a. Europa", lautet der Titel der Ausstellung.
Die Ausstellung wurde am 26. April eröffnet. Für Sonntag, den 19. Juni 15 Uhr laden Susanne von Bülow und Ruppe Koselleck zur “Geostrategischen Kuchenperformance“, die den vieldeutigen Titel “Kuchen essen - Alles vergessen“ trägt. 100 Jahre nach Sykes und Picot “teilen“ Susanne von Bülow und Ruppe Koselleck den Nahen Osten am Platz des Westfälischen Friedens unter sich neu auf und verspeisen mit einigem Vergnügen u.a. die französische Einflusszone. Seit ihrem Österreich-Ungarn Aufenthalt im Museumsquartier in Wien entwickelt das Künstlerpaar, die sich selbst als “Konzept- und Konfekt-Künstler“ bezeichnen, anhand weltpolitisch relevanter Karten historische Schicht- und Schlachttorten.

Der politische Hintergrund: Das Sykes-Picot-Abkommen vom 16. Mai 1916 war eine geheime Übereinkunft zwischen den Regierungen Großbritanniens und Frankreichs, durch die deren koloniale Interessengebiete im Nahen Osten nach der Zerschlagung des Osmanischen Reiches im Ersten Weltkrieg festgelegt wurden. Der Kontrakt wurde im November 1915 von dem französischen Diplomaten François Georges-Picot und dem Engländer Mark Sykes ausgehandelt. Nach ihren unter verschlossenen Türen getroffenen Absprachen sollten die künftigen Grenzen von Syrien, Jordanien, Irak und der Türkei geregelt werden.
Winston Churchill brüstete sich später, den Staat Jordanien mit einem Lineal, genauer: “einem Stiftzug an einem Sonntagnachmittag" (bei Tee und Gebäck) geschaffen zu haben. Nach 100 Jahren wird deutlich: Der Sykes-Picot-Kontrakt ist die Grundlage, wenn auch nicht die Ursache für viele der Konflikte im modernen Nahen Osten: dem Israel-Palästina Konflikt, dem libanesischen Bürgerkrieg, dem irakischen Überfall auf Kuwait, dem türkisch-kurdischen sowie dem syrischen Bürgerkrieg. “Auslöser für all diese Konflikte waren ganz unterschiedliche lokale und regionale, nationalistisch-exkludierende Auffassungen von Politik; manchmal von externen Mächten unterstützt; manchmal komplett hausgemacht“, sagt die Künstlerin Susanne von Bülow.
Am letzten Tag der Ausstellung “u.a. Europa“ am Sonntag, 19. Juni ab 15 Uhr unternehmen Susanne von Bülow und Ruppe Koselleck mit der “Geostrategischen Kuchenperformance: Kuchen essen - Alles vergessen“ den Versuch, die Geschichte mit ihren politischen Konstrukten und Konstruktionen in Süßspeisen zu transformieren. Die Ausstellung “u.a. Europa“ wird von der Kunsthalle Münster kuratiert und setzt die Reihe der Malerei-Ausstellungen in der Stadthausgalerie fort.
Susanne von Bülow, Europa, 2016
Quelle: Susanne von Bülow
Die “Europa“ ist eines der Schlüsselwerke der Ausstellung: eine 2016 entstandene Monotypie. Bei genauer Beobachtung zeigt sich: Der durchsichtige Kellerfaltenrock der “Europa“ zeigt freigestellte Landkarten und Staatsgrenzen und konfrontiert Europas “feste“ Grenzen (rechte Rockhälfte) mit den Linien sog. “gefallener arabischer und afrikanischer Staatlichkeit“ (linke Rockhälfte). Die Gemengelagen der “failed states“ auf der einen und überlappende europäische Staatsgebilde auf der anderen Seite erzeugen ein kartographisches Camouflage-Muster; getrennt nur durch das Mittelmeer. Die abkürzenden Vokale “u.a.“ befreien die Bilder anderseits von der Last der Einengung auf ein geographisches oder politisches Thema.
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