Politik

Lammert fordert Wahlrechtsreform

Bundestagssitzung im Plenarsaal des Reichstags
(Quelle: über dts Nachrichtenagentur)
GDN - Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) fordert das Parlament zu einer baldigen Reform des Wahlgesetzes auf. "Das deutsche Wahlsystem ist kompliziert, und die Mandatsverteilung für die meisten Wähler undurchschaubar", sagte Lammert der "Welt am Sonntag": "Deshalb sollte das Parlament jetzt, also rechtzeitig vor der nächsten Bundestagswahl, eine Reform des Wahlrechts anpacken."
Schon bei der Wahl 2013 habe "eine erstaunlich geringe Zahl von Überhangmandaten zu einer erstaunlich hohen Zahl an Ausgleichsmandaten" geführt, sagte Lammert. Das sei ein "abstruser Zustand". Regulär besteht der Bundestag aus 598 Abgeordneten; derzeit gehören ihm 631 Parlamentarier an. Bei der Wahl 2013 hatte es 4 Überhangmandate und 29 Ausgleichsmandate gegeben. "Allein der Umstand, dass die Wähler am Wahltag nicht wissen, wie viele Abgeordnete sie wählen, ist Grund genug für eine Reform", sagte Lammert. Wahlrechtsexperten halten nach der Wahl 2017 einen Bundestag mit 650 oder gar über 700 Abgeordneten für möglich. "Bei der Bundestagswahl 2017 kann es zu sehr vielen Überhangmandaten kommen. Das würde ein Vielfaches an Ausgleichsmandaten nach sich ziehen", sagte der Politikwissenschaftler Prof. Frank Decker (Uni Bonn) der "Welt am Sonntag". Je nach Wahlausgang seien "bis zu 100 Abgeordnete zusätzlich möglich". Andere Experten halten ein Parlament mit 800 Mandaten für möglich. Nach Berechnungen des Bundes der Steuerzahler würden 700 Abgeordnete (plus Mitarbeiter, Kostenpauschalen, Fraktions- und Reisekosten) jährliche Mehrkosten von 41 Millionen Euro verursachen. Bei 740 Abgeordneten lägen diese Mehrkosten bei 64 Millionen Euro im Jahr, errechnete der Bund der Steuerzahler für die "Welt am Sonntag". Die Gesamtkosten des Bundestages (631 Abgeordnete, mit Verwaltung) belaufen sich derzeit auf 803 Millionen Euro jährlich. Die Opposition drängt ebenfalls auf eine Wahlrechtsreform, während Union und SPD zögern. "Ein Parlament mit 700 oder 800 Abgeordneten wäre nicht vermittelbar. Rund 600 Parlamentarier reichen aus", sagte der designierte Linke-Fraktionsvorsitzende Dietmar Bartsch der "Welt am Sonntag". Der Bundestag sei "bereits eines der größten Parlamente der Welt, und wir sollten uns hier nicht an China orientieren". Deshalb sollten die Überhang- und Ausgleichsmandate "begrenzt werden". Bartsch fügte hinzu: "Mehr Abgeordnete bedeuten mehr Ausgaben für Personal, Büros, Verwaltungsmitarbeiter, IT-Ausstattung, Reisen und nicht zuletzt Diäten. Diese Kostenexplosion ist dem Steuerzahler nicht zuzumuten." Die Parlamentarische Geschäftsführerin der Grünen-Fraktion, Britta Haßelmann, warnte vor der "Gefahr" eines deutlich größeren Bundestages. Sie sprach von einem "erheblichen Nachteil des jetzt geltenden Wahlrechts", bei dem "weiterhin Reformbedarf", bestehe. Die Grünen-Politikerin verwies auf einen entsprechenden Gesetzesentwurf ihrer Fraktion, der "Überhang - und Ausgleichsmandate überflüssig gemacht hätte". Sie fügte hinzu: "Eine Aufblähung des Parlamentes würde so verhindert werden." Die Grünen seien "jederzeit bereit, über Veränderungen im Wahlrecht zu sprechen". Zurückhaltend zeigten sich Union und SPD. Die Überprüfung des Wahlrechts sei "die ständige Aufgabe des Deutschen Bundestages", sagte Stephan Mayer, innenpolitischer Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion. Die Funktionalität des Bundestages "würde im Übrigen nicht darunter leiden, wenn es zu einer Aufstockung auf 720 oder gar 740 Abgeordnete käme", sagte Mayer der "Welt am Sonntag". SPD-Fraktionsvize Eva Högl sagte der "Welt am Sonntag": "Ausgleichsmandate erfüllen den Zweck, den Erfolg der Parteien entsprechend ihrem Stimmanteil im Parlament abzubilden." Es sei "ein großer Erfolg, dass das Wahlrecht jetzt den Vorgaben des Verfassungsgerichts entspricht und nicht mehr im Streit der Parteien steht. Man sollte ihn nicht leichtfertig aufs Spiel setzen." Kritisch zeigte sich der Bund der Steuerzahler. "Das neue Wahlrecht ist und bleibt ein schlechter Kompromiss, denn es führt unter Umständen zu einer erheblichen Vergrößerung des Bundestages", sagte deren Präsident Reiner Holznagel der "Welt am Sonntag". Er forderte: "Statt den Bundestag auf 700 bis 800 Abgeordnete aufzublähen, sollte das Parlament auf maximal 500 Mandate verkleinert werden."
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